Heute sind über 400 Gebäude mit historischer Bedeutung in Brandenburg an der Havel zu finden. Dazu gehören das Altstädtische Rathaus mit seinem Roland, das Paulikloster, Kirchen wie die Johannis-, Katharinen- oder Gotthardtkirche sowie der Dom. Letzterer wird nicht umsonst „Die Wiege der Mark“ genannt. Schließlich ist im Dommuseum die Gründungsurkunde des Bistums Brandenburg aus dem Jahre 948 ausgestellt. In einer weiteren Urkunde, die sich im Dom befindet, wird Berlin das erste Mal schriftlich erwähnt. Wenn die Hauptstadt also ein Jubiläum feiert, dann liegt der Grund hier: Brandenburg an der Havel hat Berlin das Stadtrecht gegeben.
Zweiter Weltkrieg
Die Nähe zu Berlin, die gute Verkehrsanbindung und die Nähe der Stadt Brandenburg zum Wasser waren schon immer bedeutende Faktoren für die Ansiedlung von Industriezweigen. Auch die Nationalsozialisten nutzten diesen Lagevorteil und ließen südlich der Walzwerksiedlung in den Arado-Werken Flugzeuge und im Opelwerk Brandenburg am Silokanal Lkw bauen. Eines der dunkelsten Kapitel der Stadt spielte sich am Nicolaiplatz ab. Am heutigen Verkehrsknotenpunkt befand sich das „Alte Zuchthaus“, das 1933/34 als sogenanntes frühes Konzentrationslager und ab 1939 als Tötungsanstalt im Rahmen des Euthanasie-Programms der Nazis diente. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs richteten Luftangriffe und Bodenkämpfe erhebliche Zerstörungen in der Stadt an, rund 70 Prozent der Industriebetriebe wurden verwüstet.
Nachkriegszeit und DDR
Einer der größten Betriebe der Stadt, das Stahl- und Walzwerk, überlebte den Krieg beinahe unbeschadet. Nach Kriegsende demontierten es die Sowjets jedoch wegen ihrer Reparationsansprüche komplett. Aber bereits 1949, im Gründungsjahr der DDR, kam es zur Planung, Neuaufbau und Wiederinbetriebnahme des Betriebs, der Brandenburg zur Stadt mit der größten Rohstahlproduktion im Osten machte. In der Hochphase der Stahlproduktion in den 1980er Jahren lebten in der Stadt etwa 95.000 Menschen. Zu DDR-Zeiten entwickelte sich Brandenburg an der Havel außerdem zu einem Polizei- und Militärstandort. Sportlich spielte die Stadt ganz oben mit. Der FC Stahl Brandenburg stieg in der Saison 83/84 in die DDR-Fußballoberliga auf, der höchsten Spielklasse zu dieser Zeit. 1986 qualifizierte sich der Verein sogar für den UEFA-Cup und spielte international. Durch die Nähe der Stadt zum Wasser existieren in Brandenburg zahlreiche Wassersportvereine. So entschied der Deutsche Turn- und Sportbund der DDR, eine internationale Regattastrecke am Beetzsee zu bauen. Von der Eröffnung 1969 bis zur Wende wurden hier jährlich bis zu 24 Sportveranstaltungen im Rudern sowie im Kanu- und Motorbootrennsport ausgetragen, darunter internationale Kanuregatten und Junioren-Wettkämpfe sowie DDR-Meisterschaften. Noch heute finden auf der Regattastrecke nationale und internationale Wettbewerbe statt.
Wende
Nach der Wende hatte es Brandenburg an der Havel nicht leicht – die Deindustrialisierung machte dem ehemaligen Schwerindustriestandort stark zu schaffen. Viele Ortsbetriebe galten als veraltet, die Treuhand privatisierte oder liquidierte sie. Die Stahlindustrie verschwand somit aus Brandenburg an der Havel. Auch die Textilbranche mit ihren mehr als 2.000 Arbeitsplätzen verschwand beinahe vollständig. Die schwindende Wirtschaft hatte eine sinkende Bevölkerungszahl zur Folge: Heute leben in Brandenburg an der Havel 20.000 Einwohner weniger als in den 1980er Jahren. Die Bundesregierung ernannte die Stadt jedoch kurz nach der Wende im Jahr 1989 zu einer von elf Modellstädten in Ostdeutschland, die eine Städtebauförderung erhielten. Die Havelstadt, in der die Spuren des Krieges zur Wende teilweise noch sichtbar waren, schaffte dank Fördergeldern eine positive Stadtentwicklung.
Entwicklung
Heute sind in Brandenburg an der Havel mehr als 80 Prozent des Gebäudebestandes sowie des öffentlichen Raumes saniert, viele Gebäude wurden hergerichtet, weiterentwickelt und einer neuen Funktion zugeführt. Im ehemaligen Stahl- und Walzwerk entstand beispielsweise ein Museum mit dem letzten Siemens-Martin-Ofen Westeuropas. Die Kammgarnspinnerei in der Altstadt wandelte sich zu einem modernisierten Arbeits- und Lebensort mit einem Pflegeheim, Ferien- und Eigentumswohnungen sowie Büros und einer Kita. Die alte Spielwarenfabrik der Stadt, deren Blechspielzeug Anfang des letzten Jahrhunderts in die ganze Welt geliefert wurde, ist nun ein zentraler Verwaltungssitz. In den Brennabor-Werken – einst Sitz der Firma Brennabor, dem größtem Hersteller für Kinderwagen in Deutschland und heute noch bekannt für die dort produzierten Fahrräder – befindet sich jetzt eine Kunsthalle. Auch im ältesten Teil der Stadt Brandenburg, auf der Dominsel, verbindet sich mittlerweile Alt und Neu: Die Mühlenwerke, mit deren Schließung 1993 die 800 Jahre alte Tradition des Brandenburger Mühlengewerbes endete, wurden saniert und in Eigentumswohnungen umgewandelt. Genau wie bei den Mühlenwerken erinnert nur noch die charakteristische Backsteinfassade der THB und deren Umfeld an die Historie. Im ehemaligen Kasernenkomplex kamen anfangs preußische Kavalleristen und später bis zur Wende sowjetische Soldaten unter, heute trifft man hier Studenten sowie Angestellte und Beamte der angrenzenden Behörden wie dem Oberlandes- oder dem Arbeitsgericht.