Neuland – die Lebenshilfe und der Weinanbau

Ein fünfköpfiges Team der Lebenshilfe bewirtschaftet eine Wein-Anbaufläche im Brandenburger Ortsteil Gollwitz. Das Resultat: Flaschenweise Weißwein-Cuvée aus den Rebsorten Solaris und Johanniter.

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Alte Tradition wird neu gelebt

 

Sein Ursprung hat der Weinanbau im Land Brandenburg bereits im 12. Jahrhundert und fand sein vorläufiges Ende nach dem Zweiten Weltkrieg. Seit Mitte der 1980er Jahre wird der Weinanbau im Land wieder mit neuem Leben gefüllt. Mittlerweile gibt es hier 32 registrierte Weinanbauflächen, sagt Dirk Michler, Geschäftsführer der Lebenshilfe Werkstatt Brandenburg an der Havel gemeinnützige GmbH. Er muss es wissen, denn die Lebenshilfe Werkstatt Brandenburg baut seit 2015 selbst Wein an. Dieses Projekt erweitert das Angebot der Lebenshilfe Brandenburg-Potsdam e.V., die Teilhabe der Menschen mit geistiger, psychischer oder mehrfacher Behinderung am Arbeitsleben und in der Gesellschaft sicherzustellen.

 

 

Idee zum Weinanbau

 

Auf den Wein-Geschmack gekommen ist die Lebenshilfe ein Jahr zuvor auf dem Marienberg. 2014 bekam sie den Auftrag in Vorbereitung auf die BUGA 2015, den Weinberg auf dem Marienberg für die BRAWAG (Wasser- und Abwassergesellschaft Brandenburg an der Havel) anzulegen und zu pflegen. Die Menschen mit Beeinträchtigung waren angetan von der vielfältigen Arbeit und sahen Potenzial für den Anbau auf dem eigenen Pachtland in Gollwitz. Neben der Streuobstwiese fanden 1.000 Reben Weißwein ihren Platz. Die Rebsorten Solaris und Johanniter, speziell für nördlichere Gebiete gezüchtet, wurden bereits auf dem Marienberg angebaut und die Betreiber hatten mit ihnen gute Erfahrungen sammeln können.

 

 

Winzeraufgaben

 

Heute kümmert sich ein Team von vier Beschäftigten und einem Gruppenleiter um die Reben. Zusammen tragen sie die Verantwortung nicht nur in Gollwitz sondern auch auf dem Marienberg und erledigen die Aufgaben des klassischen Weinanbaus. „Hierzu gehört, die Reben zu biegen und am Draht zu befestigen, sie zu schneiden und zu fixieren, den Boden von Unkraut zu befreien und die Ernte einzubringen.“ berichtet Dirk Michler. Eine harte Arbeit, die allen Mitarbeitern viel Freude bereitet und mit dem eigens produzierten Wein belohnt wird. Dass aber auch alles anders kommen kann, zeigten die Erfahrungen aus den vergangenen Jahren. So wurde 2016 die erste Ernte kurz vor dem Einholen von einem Schwarm Stare innerhalb von zehn Minuten komplett geplündert. Im Jahr 2019 schlug ein anderer Feind, der Frost, zu. Entsprechend gering war die Abfüllung in nur 480 Flaschen. Der Jahrgang 2020 fiel weitaus ertragreicher aus. Es werden rund 950 Flaschen erwartet.

Cuvée, ein Verschnitt aus verschiedenen Reben

 

In die Flasche kommt Brandenburger Landwein, eine Cuvée aus den Rebsorten Solaris und Johanniter. Nach der Lese Ende August/Anfang September wird die Weincuvée in Stahltanks ausgebaut und im März/April in Flaschen gefüllt. Zu erwerben ist das Getränk mit 12,5 % Alkoholgehalt unter dem Namen „Lebenswerk“ im Getränkemarkt Am Gallberg, auf Wochenmärkten von Bauer Lau in Brielow und im Hofladen der Lebenshilfe in Cottbus.

Nach dem deutschen Weingesetz werden Weine ausschließlich nach dem Zuckergehalt des Mostes, verbunden mit einer Regionalbezeichnung, eingeteilt. Diese Regionalbezeichnung gibt es allerdings noch nicht für das Land Brandenburg. Was wiederum zur Folge hat, dass auf dem Label der Flasche das Wort „Wein“ nicht verwendet werden darf. Wenn die aktuell geschützte Ursprungsbezeichnung „Mittlere Havel“ genehmigt wird, könnte die Lebenshilfe zukünftig einen Wein mit geografischen Bezug auf den Markt bringen.

 

 

Ausblick: nach weiß folgt rot

 

Ambitionierte Ziele hat sich die Lebenshilfe, so Dirk Michler, mit dem Ausbau des regionalen Weinanbaus, mit dem Engagement für den Prädikatswein und den Planungen für eine erweiterte Vermarktung gesetzt. Im Werkstättenportal von Behindertenwerkstätten und in den regionalen Regalen von Supermärkten sollen zukünftig die Brandenburger Weine angeboten werden.
Mit dem Anbau der beiden Rebsorten Cabernet Jura und Cabernet Dorsa in Gollwitz wird die Produktpalette im Jahr 2021 um einen Rotwein erweitert.