Der Steintorturm:
Heute Museum, früher dunkles Verlies

Das Wahrzeichen der Stadt bietet mit einer Ausstellung und einem grandiosen Ausblick viel für wenig Eintrittsgeld. Der Preis für einen Aufenthalt im Turm war früher sehr viel höher – er kostete die Freiheit.  

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Wenn man heutzutage den Steintorturm betritt, dann passiert das freiwillig. Ab durch den unscheinbaren Seiteneingang, vorbei am „Wenn ich mal groß bin“, hält nur der kurze Zwischenstopp an der Kasse vom Aufstieg ab. Dann geht es über drei Etagen durch die Dauerausstellung des Stadtmuseums, die hier seit 2001 von der Geschichte der Havelschifffahrt erzählt. Der enge Weg, die düsteren Treppengänge hinauf, lohnt sich allein aufgrund der Aussicht: Von der Plattform des Turmes hat man einen entspannten Blick auf das Panorama der Stadt Brandenburg.

 

Die Spuren eines aufmüpfigen Patriziersohns

 

Der Steintorturm ist das älteste Museumsgebäude der Stadt. 1433 wurde er das erste Mal urkundlich erwähnt und als Kerker genutzt. Hier kamen Mörder, Vergewaltiger, Ketzer, Diebe, Räuber, Prostituierte, Sodomiten, Münzfälscher und Schuldner unter. Zu diesen zählte der Patriziersohn Peter Wannemacher nicht. Er musste im Jahre 1622 durch Teilnahme an einer Revolte seine Strafe im Steintorturm absitzen. Dass die Zeit für den Gefangenen hart und vor allem langweilig war, bezeugen die Inschriften Wannemachers, die er in den Backstein der Fensternischen im ersten Stock ritzte:

 

„Dies ist mein Himmelbette gewest./Ade faler Stentorm/Die zeit wort mir so lang/Ade.Hier bin ich gewest/Ich komm nicht wider mer./P.W. 10 Wochen“

 

P.W. Ist hier gewest 10 Wochen/Gelük und Ungelük/ist alle Morg. mein Früstük/Peter Wannemacher/1A -1622“.

 

Diese Sprüche sind nicht mehr im Gemäuer erhalten, aber durch historische Aufzeichnungen überliefert. Nur eine einzige Inschrift, ein lateinischer Segensspruch, befindet sich heute im Besitz des Brandenburger Stadtmuseums. Der Backstein mit dem eingeritzten Spruch wurde bei Sanierungsarbeiten am Steintorturm in den 1880er Jahren geborgen.

 

Standort des Kerkers ist ungeklärt

 

Bis wann der Steintorturm als Verlies diente, ist nicht überliefert. Auch der Standort des Kerkers kann von Historikern nicht mehr rekonstruiert werden. Theoretisch bietet der Turm in den oberen Etagen Raum für Verliese. Sollten die Gefangenen dort untergekommen sein, dann hatten sie Glück im Unglück. Der Steintorturm verfügte als einziger der mittelalterlichen Tortürme über eine Heizungsanlage, mit der das zweite, dritte und vierte Geschoss erwärmt werden konnte.

 

Eine andere Theorie besagt, dass die Inhaftierten im Erdgeschoss landeten. Dieser Teil des Turmes war ursprünglich nur über ein Loch in der Decke zugänglich und bot sich dadurch als Kerker an – die Wärter mussten lediglich die Luke öffnen und warfen den Inhaftierten auf unbestimmte Zeit in sein neues, finsteres Heim.

 

Der Steintorturm samt Verlies war Teil der Stadtmauer. Die Mauer aus dem 14. und 15. Jahrhundert erstreckte sich entlang der Alt- und Neustadt und diente sowohl als Stadtbefestigung, als Zollgrenze sowie zum Schutz vor feindlichen Angriffen.  

 

Das ideale Verlies

 

Wer die beiden Teile der Handelsstadt betreten wollte, konnte dies – Friedfertigkeit vorausgesetzt – durch zehn Stadttore. Zu deren Schutz wurden einst mindestens acht Tortürme errichtet. Von den Türmen sind nur noch vier verblieben. Der mächtigste von ihnen ist der Steintorturm, der 1380 im Stil der Backsteingotik erbaut wurde. Er ist 30 Meter hoch, hat einen Durchmesser von elf Metern und die Wände sind über drei Meter dick. Das imposante Bauwerk war also wie geschaffen für ein Verlies. Zudem lag der Turm abseits, wurde von bewaffneten Männern gesichert und es gab genug Platz, der anderweitig nicht genutzt wurde. Dieser Raum musste ausreichen, denn Gefängnisse gab es nur in großen Städten und in Burgen.

 

Heute muss niemand mehr an einer Wache vorbei, geschweige denn ein Verbrechen begehen, um im Turm zu landen: Gäste können die Dauerausstellung des Stadtmuseums im Steintorturm vom 31. März bis zum 31. Oktober zwischen 13 und 17 Uhr besichtigen.